„Ich finde es gut, dass ich jetzt etwas an die Älteren zurückgeben kann“

Statt in den Schuldienst geht die Lehrerin Pia Gerads, 29, für einige Monate in die Friedrichsburg, einem Münsteraner Altenheim. Eine Deutschlehrerin in der Pflege kommt natürlich eher selten vor, unmöglich ist es aber keineswegs: Frisch aus dem Referendariat kommend war klar, dass wegen des ‚Shutdowns‘ bis zum Sommer nicht mit einer Einstellung als Lehrkraft zu rechnen war. Wie aber lässt sich die Zeit bis dahin sinnvoll überbrücken? Die Initiative Starke Pflege in Münster und die aktuelle Kampagne ‚Komm in die Pflege – Jetzt!‘ haben sie in ihrem Beschluss bekräftigt, ab Mai für vier Monate in die Altenpflege zu gehen.

Pia Gerads hat während des Lehramtstudiums gelegentlich für einen ambulanten Pflegedienst in Münster gearbeitet und erste, sehr gute Erfahrungen gesammelt. In ihrer Masterarbeit behandelte sie das Thema häusliche Pflege. So lag es für die Deutschlehrerin nahe, sich in der Pflege nach einem Job umzusehen. Manchmal liegt das Glück buchstäblich nahe, denn in ihrer Nachbarschaft befindet sich das Altenheim Friedrichsburg. Dort hat sie sich zunächst ‚digital‘ umgesehen und ist dabei auf die Initiative Starke Pflege in Münster gestoßen, in der auch die Friedrichsburg aktiv beteiligt ist.

Arbeitgeber in der Pflege sind flexibler als gedacht

So richtig hatte sie nicht mit einer Zusage gerechnet, ohne Ausbildung und mit dem Wunsch der Befristung bis August. Doch überraschenderweise war dies kein Problem, denn sie konnte quasi sofort als ‚Mitarbeiterin in der Pflege‘ einsteigen, die Bezeichnung für ungelernte Jobber in der Branche. „Wir freuen uns über jede Unterstützung“, so die Leiterin Susanne Bönninghoff über die neue Kollegin. Bereits im Vorfeld hat sich Pia Gerads eingehend mit der Einrichtung beschäftigt, sich die Internetseite gründlich angeschaut und einiges über die Abläufe in Erfahrung bringen können. „Es hat sich für uns wieder einmal bestätigt, wie wichtig eine informative Webpräsenz ist“, kommentiert Susanne Bönninghoff die engagierte Vorbereitung.

„Ich finde es gut, dass ich jetzt etwas für die Älteren tun kann, es hat etwas mit Geben und Nehmen zu tun“, 

so Pia Gerads zur Frage, was sie bewegt, kurzzeitig in die Pflege zu gehen, „man lernt etwas über das Leben und speziell über das Altwerden. Ich bin noch jung und kann hier viel mitnehmen, was ich in späteren Jahren vielleicht dann zurückgeben kann, wenn es mich selber betrifft.“ Außerdem schätzt sie die Arbeit mit Menschen, denn „dabei wird es niemals langweilig.“

„Ich habe noch nie zuvor derart viel Respekt erfahren wie in den letzten Wochen“

Apropos Corona. „Willst du das wirklich machen?“, meldete sich eine innere Stimme vor dem Hintergrund der besonderen Infektionsrisiken. Pia Gerads ist sich völlig im Klaren darüber, sich in nächster Zeit auch dann sehr streng an die Kontaktsperre zu halten, wenn an anderer Stelle vieles wieder leichter möglich sein wird.

Womit sie nicht gerechnet hatte, war die Resonanz auf ihre Pläne im persönlichen Umfeld. Sie bekam unglaublich viel Rückenwind und Anerkennung für ihre Entscheidung, und das, obwohl sie noch überhaupt nicht angefangen hat. Sie empfindet das als Ausdruck des gestiegenen Bewusstseins für die Arbeit in der Altenpflege, dass sich unter dem Eindruck der Coronakrise herausgebildet hat, und hoffentlich über die Krise hinaus anhält.

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